Sonntag, 27. Mai 2007

12
Wenn ich nur wüsste was ich tun soll, was mir aufgetragen wurde, was mir vorherbestimmt ist. Ich beobachte und genieße es, mit welcher Leichtigkeit ich sein darf. Mir scheint die Freiheit nach der ich gestrebt habe ist nichts mehr wert.
Ich bin gefesselt und leide, denn dieser Mensch zieht mich in seinen Bann.

Samstag, 19. Mai 2007

11
Sein Name war Daniel.
Daniel war jemand der niemals aufgibt, jemand der durchhält, was es auch kostet, um am Schluss als Sieger hervor zu gehen. Daniel war das so gewöhnt. Schon in seiner Jugend hatte er alles gemeistert was auf ihn zugekommen war, war Schwierigkeiten nie aus dem Weg gegangen, hatte gelernt, dass mit genügend Selbstbeherrschung alles möglich war.
Das Leben nahm die Herausforderung an und stellte Daniel vor immer neue Hürden und legte ihm Steine in den Weg. Doch er kämpfte, er rang mit sich selbst um weiter durchzuhalten. Sein Geist war seinem schwachen Körper weit überlegen.
Eines morgens erwachte Daniel schweißgebadet und musste erkennen, dass Willenskraft nicht immer ausreicht. Eines morgens hatte das Leben gesiegt und Daniel in seine Schranken verwiesen.
10
Auch wenn ihr mich nicht sehen könnt, bin ich da. Auch wenn ihr mich nicht spüren und fassen könnt, bin ich da. Die körperliche Hülle ist nicht gleichbedeutend mit unserer Existenz. Körper sprechen nicht mit Körpern. Seelen sprechen mit Seelen. Der Körper erlaubt euch gefangenen Seelen lediglich miteinander zu kommunizieren. Er ist nicht das Werkzeug, er ist euer Gefängniswärter, der Wesen wie mir den Zutritt nur allzu gerne verweigert.
Auch wenn ihr mich nicht hören könnt, hört ihr mich. Ihr hört mich in euren Träumen und Gedanken, wenn ihr in euch geht, denn dies sind nicht nicht nur eure Gedanken, es sind auch meine Worte, die ich euch einflüstere.
So sprach ich mit ihm in seinen Träumen. Jede Nacht aufs Neue, und ich erfuhr von seinen Höhen und Tiefen, von dem Leid, das er durchwanderte, von den Menschen, die ihn enttäuscht hatten, von den Menschen, die er enttäuscht hatte. Ich erkannte, dass ich ihm keine meiner Gedanken schenken musste, denn diese gehörten schon lange ihm, er war wie ich.

Freitag, 18. Mai 2007

9
Alles war wie zuvor. Er lag einfach nur da und schlief ruhig und traumlos. Zuerst beobachtete ich ihn. Ich sah wie friedlich er da lag, er sah so verletzlich aus, ich hatte Angst ihn zu wecken und stand völlig still.
Ich betrachtete seine feinen Gesichtszüge, sein wirres Haar, er lag einfach nur da, tat nichts als nur da zu liegen, und doch durchströmte seine Anwesenheit meinen Geist. Ich wollte ihn berühren, doch ich konnte nicht, ich konnte nur dastehen und ihn betrachten. Ich wusste nicht worin meine Aufgabe bestand, noch wer mich hier her befohlen hatte, doch ich wusste, dass dies der Beginn einer Reise war, die schließlich mein Schicksal besiegeln würde, die Freiheit schien mir nicht mehr wünschenswert, ich wollte nicht frei sein, ich wollte mich zum ersten Mal in meiner Existenz von einer höheren Macht leiten lassen, die ob gut oder böse einen Weg für mich vorgesehen hatte.
Und ich war bereit alles dafür zu tun, auch wenn das hieß hier nächtelang zu verharren um über diesen Menschen zu wachen, der mich zugleich bezauberte und quälte.
8
Ich öffnete meine Augen und sah nichts. Eine tiefe schwarze Leere umgab mich, sie zog mich an und umhüllte mich wie warmes Wasser. Ich kannte dieses Gefühl, einst war ich in eine rote Leere gesunken.
Ohne zu wissen warum, fing ich an zu laufen. Es gab einen Punkt in diesem großen schwarzen Etwas, der mich unweigerlich anzog. Erst als ich näher kam, erkannte ich ihn. Es war eine andere Seele, die mich zu sich gerufen hatte. Eine mächtige Seele, sie musste schon lang auf dieser Erde wandeln. Als ich ihm gegenüber stand fürchtete ich mich, ich fürchtete, dass diese Seele mir meine geliebte Freiheit rauben könnte. Ich spürte wie seine Macht auf mich wirkte, sie war unbeschreiblich, bedrohlich und doch beruhigte sie mich auf eine Art, die mich schaudern ließ.
Es lag etwas so Vertrautes in seinem Blick, dass ich kaum zu atmen wagte.
Ich wusste nicht warum er mich gerufen hatte, doch ich konnte spüren, dass er seine Kinder nur selten zu sich ruft. Er sah mich an, sein Blick durchbohrte mich, las meine Gedanken, meine Seele war sein. Ich spürte eine Welle der Zufriedenheit, es schien mir, als hätte er gefunden wonach er gesucht hatte.

Ich wollte mich ihm zu Füßen werfen, doch es erfasste mich eine unsichtbare Hand, sie zog mich unweigerlich weg von diesem Ort. Ich wollte schreien doch ich konnte nicht, ich wollte zurück zu diesem Wesen, das mich zu seiner Untertanin gemacht hatte. Doch es war zu spät, ich war wieder auf der Erde. Als ich die Augen öffnete, blickte ich in die Augen des Mannes, von dem ich zuvor weggeholt worden war. Er saß aufrecht in seinem Bett, blickte verwirrt um sich, als wäre er gerade aus einem Alptraum aufgeschreckt. Ich blieb bei ihm während er wieder einschlief, denn ich wusste, dass ER es mir so befohlen hatte.
7
Und plötzlich war alles anders. Ich war nicht mehr glücklich, ich war nicht mehr froh tot zu sein. Wenn Daina schlief huschte ich durch die Stadt, durch die Zimmer, ich sah in unzufriedene Gesichter und es freute mich, denn es bestätigte mich in meiner Entscheidung. Das Leben war es nicht wert gelebt zu werden, der Tod war eine Befreiung, die Welt war ein Ort der Verzweiflung und des Leids geworden, das Paradies war weit entfernt.
Doch eines Abends änderte sich mein Schicksal. Es war der Abend an dem ich in ein neues Gesicht blickte. Als ich in seine Augen sah, war mir, als würde ich zu Eis erstarren. Sein Blick durchbohrte mich wie ein Schwert, mein ganzes Wesen zitterte, es schmerzte mich so sehr und doch konnte ich mich nicht abwenden. Der Schmerz beherrschte mich, er quälte mich, er stillte ein unbekanntes Verlangen, welches tief in mir verborgen lag. Ich wollte schreien doch ich konnte nicht. Ich wollte fliehen doch er hielt mich fest. Wohin ich auch blickte, ich sah nichts mehr außer ihn, wie er da saß, so verloren wie all die anderen auf diesem Planeten, wie er sich quälte in seinem Leben und wie er unermüdlich nach dem Glück suchte, das angeblich auf jeden wartet.
Als er eingeschlafen war zog mich etwas von ihm weg. Ich versuchte mich an ihn zu klammern, suchte nach diesem süßen Schmerz, doch er war verschwunden und schließlich ließ ich zu, dass diese Kraft mich mit sich nahm.

Donnerstag, 10. Mai 2007

6
Wo auch immer ich bin, ich bin es nicht. Wo ich war, war ich nicht. Das Ich ist das Ende, nicht der Anfang.

Mittwoch, 9. Mai 2007

5
Daina ist heute früher von der Arbeit zurück gekommen. Nach einem anstregenden Tag hat man sie belohnt. Heute kann sie eine Stunde länger damit zubringen nicht an die Arbeit zu denken. Sie wird eine Stunde länger zu Hause auf der Couch vor ihrem kleinen Fernseher liegen. Wenn sie wieder etwas Kraft getankt hat wird sie sich ihren Fantasien hingeben, den Gedanken daran, wie es wäre wenn es anders wäre. Wenn sie dieses Leben voller Freiheit, Begeisterung und Tatendrang hätte, wenn sie sich täglich neuen erotischen Abenteuern hingeben könnte, wenn sie sich in ihrer Freizeit nicht von der Arbeit erholen müsste, wenn sie mehr Zeit hätte. Für Daina sind das nicht nur Fantasien. Es ist ihre Zukunft, die sie vor sich sieht. Etwas utopisch, etwas optimistisch, etwas realitätsfremd. Aber sie ist überzeugt, wenn sie nur hart genug dafür arbeitet, wenn sie nur genug Opfer bringt, dann besteht zumindest die Chance auf eine Zukunft, wie sie sie sich vorstellt. Und wenn die Wahrscheinlichkeit noch so gering ist, Daina wird weiter kämpfen. Nur noch diese und jene Hürde überwinden, dann kann ihr eigentliches Leben beginnen.

Was Daina nicht weiß - ihr Leben hatte schon längst begonnen, es gefiel ihr nur nicht. Ich weiß das, denn ich beobachte sie. Als ich noch unter euch war, war ich ihre wichtigste Stütze. Was ist sie - ohne mich?

Auch sie selbst hat sich diese Frage gestellt. Was ist sie ohne mich. Ich war ein Teil dieses Lebens, ich habe ihr Leid geteilt, mich an ihrem Leid erfreut, denn es ließ mein eigenes gering erscheinen. Doch ich wusste, dass dieses Leben nicht mein Leben war und so setzte ich ihm ein Ende. Sie muss weiter kämpfen. Zu Beginn sah es so aus als würde sie scheitern, ich beobachtete sie in ihrer Verzweiflung und es bestätigte mich in meiner Entscheidung. Wenn ich sie sah, dachte ich mir immer - so warst du einst, es hätte dich zerstört. Ich war mir somit sicher, dass es keinen Sinn gemacht hätte länger durchzuhalten. Mein Selbstmord war nur die logische Konsequenz aus diesem nicht lebenswerten Leben. Nichts weiter.
Und dennoch kann ich mir nicht helfen, wenn mir die Tränen kommen, wenn die Zweifel in mir aufsteigen. Ich weine, ich schreie und scheitere daran, meine Gedanken zu ordnen. Manchmal scheint mir, als hätte ich aufgegeben, als hätte ich durchhalten müssen. Der Tod hat meine Welt nicht verändert. Ich bin noch immer die selbe, doch mir scheint, als hätte ich einen Teil meiner Selbst verloren.
Doch dann sage ich mir: der leichtere Weg ist nicht immer der schlechteste - und der leichtere Weg ist in Wirklichkeit meist der schwerste.

Dienstag, 8. Mai 2007

4
Wer auch immer mich sieht, sieht mich nicht. Ich bin ein Schatten, ein Schemen, ich liege, ich schlafe, ich schlage um mich, ich strahle. Meine Augen sind geöffnet, ich sehe euch zu, ich lerne von euch, ich sehe, wie sich meine Fehler wiederholen. Tausendmal wiederholen.

Wir sind gar nicht so verschieden, wusstest du das?
Auch wenn ich jetzt nicht mehr bin, fühle ich deinen Schmerz. Ich versuche dir zu helfen, aber ich bin nicht mehr die Stütze, die ich einst war. Ich kann dir nicht mehr helfen, ich bin das Publikum.

Immer wieder frage ich mich, warum du dir das antust, wieso du nicht einfach fliehst aus deiner Welt. Du glaubst es ist der einzige Weg, du denkst, du müsstest diesen einen roten Faden verfolgen um Anerkennung zu ernten, um anderen zu genügen. Aber weißt du denn nicht, dass es auch einfacher geht?
Ich bin ausgestiegen, ich habe den Strom verlassen und sieh mich an. Mir scheint ich bin nun zum ersten Mal am Leben.

3

Ich bin noch immer und ich werde immer sein. Heute stapfe ich durch den Schnee der Alpen, aber keine Sorge, wir auf der anderen Seite müssen nicht überall zu Fuß hingehen, ich tue das aus reiner Nostalgie.


2
Nun bin ich also tot. Das schöne am großen Plan des Universums ist, dass es keinen gibt.

1

Ich gehe. Ich gehe und fühle. Ich gehe und atme. Der Dunst steigt auf, die Kälte brennt in meinem Hals. Was auch immer ich getan habe, die Strafe scheint mir zu schön. Wo warst du als es passierte, wo warst du als ich dich gerufen habe. Mein Ruf verhallte in der Stille der Nacht.

Schon lange lebe ich allein. Schon lange gehe ich nicht an die Tür, wenn es läutet, wenn die Welt mich sprechen möchte. Einst war ich bei euch, doch die Lüge hat mich eingeholt. Die Lüge vom Leben, die Lüge vom Tod. Wie kann ich etwas fürchten, dass so unweigerlich ein Teil meines Seins ist, wie das Leben selbst. Ist das Leben nicht nur ein kleiner Abschnitt unseres Seins, ist es nicht nur die Einleitung unseres Romans?

Sollte ich heute sterben, was würde es ändern? Gäbe es mich dann nicht mehr, ist das Leben reine Ironie? Man strebt nach Liebe, nach Glück und Zufriedenheit, erreicht es oder eben nicht und dann ist alles vorbei. Es gibt kein Ich, kein Du mehr. Das war nur ein kurzes Schauspiel. Sollte das stimmen, welchen Sinn hätte es sich weiterzubewegen? Warum schöne Erinnerungen sammeln, wenn man dann selbst nicht mehr ist um sich daran erinnern zu können?

So fragte ich mich mein Leben lang. Um Antworten zu finden musste ich erst sterben, und so tat ich das schließlich auch. Mein Körper war nur noch das was nach Jahren des Strebens übrig geblieben war. Mein Geist war gefangen in einem Gehirn, dass immer mehr abbaute, so dass er nur dabei zusehen konnte, wie alles zu Ende geht, wie die eigene Hilflosigkeit zum Himmel stank. Nun bin ich also hier, und ich will gar nicht verraten wo das ist, denn so lautet die Regel.

An dem Tag, als ich meinem Leben ein Ende bereitet habe, überlegte ich noch welche Strafe mir dafür wohl auferlegt werden würde. Schließlich fürchtet man sich vor dieser einen Göttin oder diesem einen Gott, die es gar nicht zu schätzen wissen, wenn man das Geschenk des Lebens einfach so wegwirft. Ich war es leid zu warten, ich war es leid, meinem Körper bei seiner Selbstzerstörung zuzusehen. So habe ich es also getan, denn mein Wille war schon immer stärker als mein Körper. In der Nacht als es passierte habe ich Gott gerufen, er möge mich retten, mir den richtigen Weg zeigen, doch er antwortete nicht, ich war allein, einsamer als je zuvor.